Sonntag, 24. Oktober 2010

Die Schöpfkeule

Sieben. Die Sieben ist die Zahl des Lebens. Denn die Sieben gibt dem Leben Struktur. Sieben Tage hat die Woche. Sieben Weltwunder hat die Antike. Sieben Kontinente hat die Erde. Sieben Todsünden hat die Katholische Kirche. Sieben Mägen hat die Kuh (ungefähr). Sieben Ecken hat ein Heptagramm. Sieben Zwerge hat Schneewittchen. Und – in sieben Tagen hat Gott die Welt erschaffen. Dachte man zumindest früher. Bis dann im 19. Jahrhundert Charles Darwin auf den Plan trat und mit seinen Ansichten ordentlich für Furore sorgte. Da erdreistete sich dieser Darwin doch, in seinem Buch „The Descent of Man“ (Die Abstammung des Menschen) zu behaupten, die Menschen seien gar nicht durch Schöpfung sondern durch Evolution entstanden, und die Menschheit stamme folglich nicht von Adam und Eva sondern vom Affen ab.

Das rief natürlich die Gläubigen auf die Barrikaden. Sie meinten, Darwins Vorfahren wären zwar vermutlich ein paar Primaten, aber die normalen Menschen hätte immer noch Gott erschaffen. Darwin entgegnete, mit ihren Erbsenhirnen würden seine Kritiker doch nur beweisen, dass seine Theorie sehr wohl stimmte. Nicht mehr und nicht weniger als der Glaube an die Erschaffung der Welt durch Gott stand hier auf dem Spiel. Zwar hat Gott bei der Schöpfung vermutlich keine Schöpfkelle benutzt, aber die Befürworter wie auch die Gegner von Darwins Evolutionstheorie packten jetzt die Schöpf-Keule aus. Mit Argumenten und mit Beschimpfungen hauten sie sich gegenseitig eins auf den Deckel.

Und gute 140 Jahre später kommen nun die Punk-Opies von Bad Religion daher und streuen nochmal eine fette Portion Salz in die Wunden. Das zeigt, wie wenig das Thema an Brisanz und Aktualität verloren hat. Darwins Buchtitel „The Descent of Man“ verändern sie minimal, so dass dabei ihr neuer Albumtitel „The Dissent of Man“ (Die Meinungsverschiedenheit des Menschen; Epitaph 2010) entsteht. Zum Thema der Schöpfung gibt es wirklich auch viele Jahre nach Darwin immer noch ganz verschiedene Ansichten. Manche meinen, Gott habe die Welt erschaffen, und damit basta. Andere sehen in der Evolution die einzig gültige Erklärung zur Entstehung der Lebensformen. Und wieder andere sagen, Schöpfung und Evolution sei doch irgendwie dasselbe.

Recht haben ist was Schönes, denn wer Recht hat, fühlt sich gut. Und um in dieser Diskussion ihr Recht zu behaupten, hauen die Anhänger und Gegner der verschiedenen Erklärungsversuche einander auch heute noch gerne mal die verbale Schöpfkeule um die Ohren. Allerdings – könnte die Jahrzehnte dauernde Suche nach einer Antwort ja auch bedeuten, dass alle Seiten ganz gute Argumente vorbringen können, die sich nicht so einfach entkräften lassen. Möglicherweise haben wir es hier mit einem Thema zu tun, das die Menschheit mit ihren eigenen Grenzen konfrontiert und sich darum niemals abschließend klären lässt. Ich jedenfalls bin zuversichtlich, dass die Frage nach Schöpfung und Evolution auch in 100 Jahren noch einen guten Stoff für Punk-Lyrics abgeben wird.

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