Montag, 9. August 2010

Das Hoffnungs-Ding

Praiser im Interview

Beim Freakstock-Festival, das vor wenigen Tagen zuende gegangen ist, waren auch Praiser aus Hamburg mit von der Partie. Zuerst brachten sie den Knüppelkeller zum Pogen, und am nächsten Tag versüßten sie den Festival-Teilnehmern ihre Mittagsruhe, indem sie dreckigen Punkrock von einer fahrenden Bühne aus zum Besten gaben. Zwischendrin hatten André und Marcus (Bender) aber auch einige Minuten übrig, um mir meine neugierigen Fragen zu beantworten.

Bitte stellt euch doch am Anfang kurz vor.
Marcus: Ich bin Markus, spiele Gitarre und singe.
André: Ich bin André, und ich mache Schlagzeug und schreie.
Ich bin im Internet auf euch aufmerksam geworden, und mir ist aufgefallen, dass auf eurer Homepage und auf euren Plakaten ein Grizzly-Bär auftaucht, mit dem ihr eure Musik schmückt. Warum findet ihr gerade den Bären gut?
Marcus: Ehrliche Antwort: Wir rotzen sowas ja oft einfach so hin. Und ich habe mir überlegt, dass wir etwas brauchen, was cool aussieht. Ein wütendes Tier wäre zum Beispiel gut. Aber Löwen oder Tiger haben schon 1000 Leute. Dann ist mir der Bär eingefallen, weil er ein mächtiges Tier ist, das für Mut und Energie steht. Und dann habe ich Bilder gegoogelt, bis ich dieses Vieh gefunden und einfach rutergeklaut habe. Das wars. Ich finde, der wirkt einfach energiegeladen und wütend.
Repräsentiert er euch damit auch ganz gut?
Marcus: Das repräsentiert Punk und Hardcore ganz allgemein. Deswegen haben ja auch viele Rockbands einen Löwen als Logo.
André: Außerdem hat der Bär meist eine Plauze...
Auf eurer Myspace-Seite habe ich ein leicht frustriertes Statement darüber gefunden, wie ihr als christliche Punkband in nicht-christlichen Kreisen ankommt. Könnt ihr kurz sagen, welche Erlebnisse dahinter stehen?
Marcus: Ich wills mal so sagen: Von 10 Leuten aus der linken Szene, die keine Christen sind, hast du 1-2, die am Glauben interessiert sind, 1-2 sind richtig anti, und den anderen ist es egal. Der Großteil der Szene ist echt korrekt und nett, man kennt sich von Konzerten. Viele kommen auch an und sagen: uns gefällt eure Musik. Aber eine christliche Band in einem besetzten Haus spielen zu lassen, das wäre immer noch zu krass, weil viele sagen, Punk ist gegen jegliche Autoritäten. Es gibt den alten Slogan: „No gods, no masters.“ Das ist ein Punkt, wo die Szene sich untereinander immer noch einig ist. Und die 2 von den 10 Leuten sind leider auch die, die große Energie haben.
André: Die machen dann entsprechend Stimmung. Unserer vorherigen Band Preacher hat das auch echten Schaden zugefügt.
Marcus: Und die anderen kuschen halt aus Angst vor der Szene. Manche haben über die Jesus Freaks in den Medien etwas aufgeschnappt und denken nun, die sind schwulenfeindlich, hierarchisch und rechts. Deswegen mussten wir schon klärende Gespräche führen, nachdem wir in der Roten Flora [Anm.: einem autonomen Veranstaltungszentrum in Hamburg] ein Konzert mit einer christlichen Band veranstaltet haben. Einmal kam auch ein einzelner Punk an und wollte unser Konzert abbrechen. Das Konzert ist dann nicht abgebrochen worden, und auch seine Freunde waren da viel entspannter. Aber dieser eine ist auch wieder ein aktiver Typ, der hat dann noch eine Kolumne im Internet geschrieben und sitzt uns teilweise immer noch im Nacken.
Obwohl doch sonst Toleranz immer so groß geschrieben wird.
André: Deswegen haben wir auch sieben oder acht Songs darüber.
Marcus: Ich habe darüber schon einiges geschrieben, weil mich das ärgert. Ich bin kein Schwulenfeind und kein Sexist und kein Rassist. Und es nervt mich auch, wenn ich in eine Schublade gesteckt werde. Viele sind allerdings auch nett und reden mit einem, um sich ihr eigenes Bild zu machen.
Mit dem Schwulenhass gibst du mir ein gutes Stichwort. Einer eurer Songs ist mir aufgefallen, weil ich ihn besonders gut fand. Er heißt „You Still Hate“. Wie ist es dazu gekommen, dass der entstanden ist?
André: Man muss dazu sagen, dass Marcus bei uns die Musik schreibt und Gitarre spielt. Ich spiele Schlagzeug und habe von Noten keine Ahnung. Wenn ich eine musische Phase habe, schreibe ich auch mal einen Text, aber der Großteil unserer Texte stammt von Bender.
Marcus: So ein Text entsteht eigentlich durch die Vorwürfe. Das ist eine Sache, die für mich eigentlich selbstverständlich ist, aber trotzdem habe ich mich entschieden, einen Text darüber zu schreiben. Wir zeigen damit, dass wir auch in die linke Ecke gehören. Ich höre viel Crust und Anarcho-Punk, und diese Bands haben oft einen Hals auf Christen, weil sie sagen: Ihr seid homophob und hasst Schwule. Und es ist ja auch so, dass gerade in Amerika und bei vielen Christen das Thema der Homosexualität sehr hoch gehalten wird, obwohl es nur zwei oder vier Bibelstellen dazu gibt. Ich bin mir nichtmal sicher, ob das für Gott überhaupt eine Rolle spielt, weil Jesus dazu nichts sagt. „Liebe deinen Nächsten wie dich selbst“ – das fasst alles zusammen. Auf jeden Fall ist Homosexualität in der Bibel ein Randthema. Und andere Themen, wie soziale Gerechtigkeit, Völlerei oder faire Bezahlung für Arbeit kommen viel, viel öfter vor. Aber gerade die westliche Welt interessiert sich dafür komischerweise nicht so sehr, obwohl das die Dinge sind, die sie selber am Meisten angehen. Stattdessen wird ständig auf Schwulen rumgehackt und das teilweise noch auf sehr unfreundliche Art. Das war für mich der Grund, einen klaren Text dazu zu schreiben, der sich gerade an die Christen richtet. Der Stress, den wir mit der normalen Szene hatten, hat für uns als Praiser dazu geführt, dass wir uns vor allem auf Christen ausrichten, obwohl natürlich auch normale Leute gerne unsere Musik hören dürfen.
Es ist auch ärgerlich, sich immer verteidigen zu müssen, oder? Um den Spieß herumzudrehen: Was würdet ihr sagen, ist denn positiv eure Botschaft, die ihr jenseits aller Verteidigungen den Leuten mitgeben wollt?
André: Unser Ding ist es, zu sagen: Egal wie es dir geht, und egal wie die Umstände sind – Gott ist es immer noch wert, gepriesen zu werden. Und Gott ist immer noch gut. Das kommt in vielen unserer Texte durch. Und wir wollen Christen und Nichtchristen sagen, dass das Leben mit Gott immer Vorzüge haben wird, immer lohnenswert ist. Darum meinen wir: Daumen hoch. Denkt darüber mal nach. Setzt euch damit mal auseinander.
Marcus: Es ist auch das Hoffnungs-Ding. Viele Crust-Bands, die ich wie gesagt gerne mag, sind aber auch sehr verzweifelt und frustriert. Wir haben selbst zum Teil solche Texte. Aber wir glauben auch, dass Gott ein guter Gott ist, und dass es Hoffnung gibt. Dass man auch etwas verändern kann – sowohl aus christlicher als auch aus ethischer Sicht. Es lohnt sich, Mut zu haben.
André: Weil Gott Liebe ist.
Marcus: Wir haben auf unserer neuen CD ein Lied, das heißt „Child“, und es ist aus der Sicht von Gott geschrieben, weil ich oft Christen erlebe, die denken, Gott liebt sie nicht, oder Gott kümmert sich nicht um sie. Sie haben schlechte Erfahrungen gemacht.
André: Ein großes Ding ist es, zu sagen: Wir haben die Hoffnung. Das ist eigentlich ein Riesending. Das unterscheidet uns auch von vielen anderen. Wir wissen, wohin wir gehen werden. Eines Tages wird alles vorbei sein, und danach haben wir es richtig gut bei ihm.
Marcus: Und wir wollen auch positiv sagen: Hey, ihr habt vielleicht das Bild von Gott, dass er so ein Arsch ist, der euch hasst, weil ihr Punks seid. Viele denken ja wirklich, dass er sie scheiße findet, weil die Kirche teilweise sowas vermittelt. Da müssen wir sagen: Nö, das glauben wir nicht. Sondern wir glauben, dass Gott euch sowieso toll findet. Aber er findet vielleicht auch das gut, was ihr macht: Zum Beispiel Volksküchen. Ein Herz für die Schwachen zu haben, ist ja ein ganz biblisches Prinzip. Deswegen sagen wir: Ihr habt ganz viele Werte, die Jesus auch gelebt und gepredigt hat. Wir wollen denen, die Gott hassen, weil sie denken, Gott hasst sie, ein positives Gottesbild rüberbringen.
Offensichtlich habt ihr damit etwas enorm Wichtiges zu sagen. Ich wünsche euch alles Gute dafür.

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